Eine Abmahnung hat, wie nachfolgend dargestellt, mehrere Funktionen. Nur wenn sämtliche Funktionen erfüllt sind, handelt es sich um eine formell rechtmäßige Abmahnung.
1. Dokumentationsfunktion
Das abgemahnte Verhalten muss genau beschrieben werden. Dies bedeutet, dass ein fremder Dritter, der mit der Sache überhaupt nichts zu tun hat, erkennen kann, worum es geht, insbesondere welches konkrete Verhalten (wann, wo, wem gegenüber?) vorgeworfen wird.
Pauschale Vorwürfe, wie etwa „…der Arbeitnehmer ist wiederholt unpünktlich zur Arbeit erschienen“ oder „seine Arbeitsleistungen sind mangelhaft“ oder „er ist mehrfach betrunken am Arbeitsplatz erschienen“, erfüllen die Dokumentationsfunktion nicht und es liegt damit keine wirksame Abmahnung vor.
2. Hinweisfunktion
Es muss deutlich hervorgehen, dass das abgemahnte Verhalten als Vertragsverstoß gerügt wird und der Arbeitnehmer darauf hingewiesen wird, dass er in Zukunft seine vertraglichen Pflichten ordentlich zu erfüllen hat.
3. Warnfunktion
Aus der Abmahnung muss hervorgehen, dass der Arbeitnehmer im Wiederholungsfall mit einer Kündigung rechnen muss.
Beachte: |
Nur wenn alle drei Funktionen miteinander in der Abmahnung verbunden sind, ist rechtlich von einer Abmahnung die Rede.
Selbst ein Schreiben, das groß mit „Abmahnung“ überschrieben ist, stellt keine echte Abmahnung dar, sofern die Abmahnung nicht alle drei Funktionen erfüllt. Allein auf die Bezeichnung durch den Arbeitgeber kommt es folglich nicht an. |
Tipp! |
Sofern in der Abmahnung mehrere Pflichtverstöße vorgeworfen werden, müssen alle Vorwürfe die Dokumentationsfunktion erfüllen, also das abgemahnte Verhalten muss hinsichtlich sämtlicher Fälle genau nach Datum und Uhrzeit beschrieben werden. Erfüllt auch nur ein Vorwurf die Dokumentationsfunktion nicht, oder wurde auch nur eine Arbeitsvertragsverletzung zu Unrecht vorgeworfen, ist die gesamte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen. |
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Vorwürfe, die den Anforderungen an eine Abmahnung, wie oben dargestellt, nicht entsprechen, stellen keine Abmahnung sondern allenfalls eine „Ermahnung“ (oder auch „Rüge“, „Verwarnung“, „Verweis“ bezeichnet) dar. Eine solche Ermahnung enthält grundsätzlich keine Androhung einer Kündigung im Wiederholungsfall. Um eine verhaltensbedingte Kündigung vorzubereiten, genügen derartige Ermahnungen nicht. Nur die echte Abmahnung stellt die grundsätzlich für den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung erforderliche „gelbe Karte“ dar. Eine bloße Ermahnung hat damit keine kündigungsrechtliche Bedeutung. |
Nein, es genügt eine mündliche Abmahnung. Der Arbeitgeber muss allerdings bei einem eventuellen Kündigungsschutzprozess nachweisen, dass die Abmahnung den oben dargestellten Anforderungen entspricht und die drei Funktionen enthält. Dies wird im Regelfall nicht gelingen, weshalb mündliche Abmahnungen, wenn auch diese formell möglich sind, regelmäßig als wertlos zu bezeichnen sind.
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Sofern der Arbeitnehmer eine schriftliche Abmahnung erhält, sollte er niemals durch seine Unterschrift anerkennen, dass er mit der Abmahnung einverstanden ist bzw. den darin geschilderten Sachverhalt bestätigen. Den bloßen Erhalt der Abmahnung zu bestätigen ist unproblematisch. |
Eine echte Ausschlussfrist für den Ausspruch einer Abmahnung gibt es nicht. Die 2-Wochen-Frist des § 626 II BGB gilt nicht für Abmahnungen.
Nach welchem Zeitraum der Arbeitgeber wegen einer zurückliegenden Pflichtverletzung keine Abmahnung mehr aussprechen darf, richtet sich nach dem Einzelfall. Es gibt keine festen Grenzen. Der Arbeitgeber kann somit grundsätzlich auch wegen länger zurückliegenden Pflichtverletzungen abmahnen. Lässt der Arbeitgeber zu viel Zeit verstreichen, kann der Abmahnung jedoch keine Warnfunktion mehr zukommen. So wurde etwa eine Abmahnung in einem Einzelfall gerichtlich für unzulässig gehalten, die der Arbeitgeber erstmals fast sechs Monate nach einer festgestellten Pflichtverletzung ausgesprochen hat.
Der Betriebsrat hat bei Ausspruch einer Kündigung weder ein Anhörungsrecht noch ein Mitbestimmungsrecht.
Nach § 84 BetrVG besteht jedoch für den Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich beim Betriebsrat zu beschweren, wenn er sich durch die Abmahnung ungerecht behandelt fühlt.
Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch darauf, zu erfahren, wie der Arbeitgeber mit dieser Beschwerde verfährt. Durch die Beschwerde dürfen ihm keine Nachteile erwachsen (§ 84 III BetrVG).
Will der Arbeitgeber die Abmahnung in die Personalakte aufnehmen, besteht gemäß § 82 I BetrVG die Pflicht zur Anhörung des Arbeitnehmers. Tut er dies nicht, kann der Arbeitnehmer die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen.
Allerdings kann sich der Arbeitgeber bei einer verhaltensbedingten Kündigung dennoch auf diese Abmahnung berufen.
Der Arbeitgeber und alle Personen, die dem Arbeitnehmer gegenüber weisungsberechtigt sind.
Ein Arbeitnehmer, der länger als sechs Monate in einem Betrieb beschäftigt wird und mehr als zehn Mitarbeiter im Sinn von § 23 KSchG beschäftigt, genießt Kündigungsschutz nach dem KSchG. Dies bedeutet, er kann sofern kein betriebsbedingter oder personenbedingter Grund vorliegt nur verhaltensbedingt gekündigt werden -näheres hier-.
Auch für Mitarbeiter mit Sonderkündigungsschutz, wie beispielsweise Betriebsräte, Schwangere und Schwerbehinderte, kommt die verhaltensbedingte (außerordentliche, fristlose) Kündigung besondere Bedeutung zu.
Immer wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen verhaltensbedingten Gründen kündigen möchte, ist in der Regel Voraussetzung, dass zuvor zumindest eine Abmahnung ausgesprochen wurde.
Der Kündigungsschutz beginnt für den Arbeitnehmer zu bröckeln, sobald er eine berechtigte Abmahnung erhalten hat. Die Abmahnung gefährdet somit den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses. Im Wiederholungsfall droht eine verhaltensbedingte Kündigung.
Sofern sich der Arbeitnehmer in der Zukunft jedoch pflichtgerecht verhält, hat eine ausgesprochene Abmahnung keine nachteiligen Folgen.
Tipp! |
Insbesondere kann wegen eines bereits abgemahnten Verhaltens, ohne dass es zu einem wiederholten Fehlverhalten kam, nicht nachträglich eine verhaltensbedingte Kündigung ausgesprochen werden. Der Vorwurf ist dann bereits für den Ausspruch der Abmahnung „verbraucht“ worden. |
Die Abmahnung ist gesetzlich nicht geregelt. Nach der Rechtsprechung muss jedoch im Regelfall, vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung und vor Ausspruch einer fristlosen, außerordentlichen Kündigung, eine Abmahnung erfolgen.
Ausnahme:
Keiner Abmahnung bedarf es, sofern eine derart schwerwiegende Pflichtwidrigkeit des Arbeitnehmers im Raum steht, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann. Es handelt sich um Pflichtwidrigkeiten, deren Rechtswidrigkeit der Arbeitnehmer ohne weiteres erkennen konnte und es offensichtlich ausgeschlossen ist, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten hinnimmt. Das Ergebnis einer erfolgreichen Kündigung ist jedoch immer eine Frage des Einzelfalls.
Im folgenden Fällen kann der Arbeitnehmer eventuell auch ohne Abmahnung gekündigt werden:
Abmahnen muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung hingegen wegen folgender Pflichtwidrigkeiten (Beispiele):
Wie viele Abmahnungen sind auszusprechen?
Grundsätzlich genügt eine Abmahnung, um dem Arbeitnehmer zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung anzuhalten. Bei nur geringfügigen Verfehlungen bedarf es jedoch mehrer Abmahnungen, insbesondere vor Kündigung eines langjährigen Arbeitnehmers.
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Die Abmahnung und der darauf folgende Pflichtenverstoß der zum Anlass für die Kündigung genommen wird, müssen gleichartig sein. Nur dann liegt ein bereits abgemahntes Fehlverhalten im Wiederholungsfall vor. |
Der Abmahnungssachverhalt und der Kündigungssachverhalt müssen somit zumindest auf der gleichen Ebene liegen. Ein Arbeitnehmer, der einen anderen beleidigt und deshalb abgemahnt wurde, kann nicht wegen verspäteter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gekündigt werden. Es fehlt hierbei an der Gleichartigkeit zwischen Abmahnung und Kündigungsgrund.
Nein. Eine Abmahnung kommt nur in Betracht, sofern das Verhalten steuerbar ist und der Arbeitnehmer auf das beanstandete Verhalten Einfluss nehmen kann. Eine Abmahnung wegen Krankheit ist folglich ausgeschlossen.
Etwas anderes gilt selbstverständlich, sofern die Krankheit vorgetäuscht wird oder der Arbeitnehmer sich genesungswidrig verhält. Dies nachzuweisen ist jedoch Sache des Arbeitgebers.
Wichtig zu wissen ist, dass ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, sofort etwas gegen eine Abmahnung zu unternehmen. Es gibt weder die Pflicht noch eine Frist für ein Rechtsmittel oder einen Widerspruch gegen eine Abmahnung. Der Arbeitnehmer kann eine Abmahnung zunächst widerspruchslos akzeptieren und die abgemahnte Pflichtverletzung erst in einem späteren Kündigungsschutzprozess bestreiten und die Abmahnung angreifen. Unbedingt empfehlenswert ist diese Vorgehensweise jedoch nicht, da sich jeder Richter die Frage stellen wird, weshalb ein Arbeitnehmer in keiner Weise der Abmahnung widersprochen hat.
Auf der anderen Seite dürfen dem Arbeitnehmer keine Nachteile daraus erwachsen, dass er zunächst keine rechtlichen Schritte gegen die Abmahnung einleitet. Es kann daher aus taktischen Gründen auch sinnvoll sein, dass die Rechtmäßigkeit einer Abmahnung erst in einem späteren Kündigungsschutzprozess geprüft wird.
Der Arbeitnehmer hat drei Möglichkeiten sich gegen eine Abmahnung zu wehren:
Der Arbeitnehmer kann seine oben dargestellten Rechte auch auf dem Klageweg durchsetzen, sofern sich der Arbeitgeber unberechtigterweise weigert, seinen Forderungen nachzukommen.
In einem Abmahnungsprozess muss der Arbeitgeber sämtliche Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Abmahnung darlegen und beweisen.
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